Warning: Undefined array key "pr-cookie" in /homepages/31/d4297940881/htdocs/pawlik-muc/wp-content/themes/pawlik/inc_cookielayer.php on line 4
Blog
19. Juni 2023

Erbe oder Vermächtnis im Testament?

Wann liegt ein Testament vor?

 

Gerade wenn ein Testament privat ohne juristische Hilfe verfasst wird, gibt es oft Streit und Zweifel, ob es sich überhaupt um ein Testament handelt und was die testierende Person, also der spätere Erblasser, damit eigentlich erreichen wollte.

 

Das Oberlandesgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 22.02.2023, Az. 3 W 31/22) hatte über folgende Formulierung zu entscheiden:

 

„Für den Fall meines plötzlichen Ablebens, verschenke ich meinen Hausanteil an den Mitbesitzer des Hauses Herrn S.W.“. Das Schreiben war handschriftlich verfasst, mit Datum versehen und vom Erblasser unterschrieben.

 

Es kommt also weder das Wort Testament vor, noch wird von einem Vermächtnis oder gar einer Einsetzung als Erbe gesprochen.

 

Das OLG Berlin-Brandenburg war jedoch (anders als die Vorinstanz) der Auffassung, dass es sich gleichwohl um ein Testament handelt. Juristische Fachsprache muss im Testament nicht benutzt werden. Das Abstellen auf den Fall seines plötzlichen Ablebens genügte dem Gericht für die Annahme einer letztwilligen Verfügung.

 

Dass der Erblasser etwas „verschenken“ wollte, hat das Gericht auch so ausgelegt, dass es keine Schenkung im Rechtsinn (also unter Lebenden) sein soll, sondern eine Zuwendung von Todes wegen. Nach § 2084 BGB ist die Auslegung eines Testaments im Zweifel so vorzunehmen, dass die letztwillige Verfügung Erfolg haben kann. Das wäre bei einer echten Schenkung nicht der Fall gewesen (ein Schenkungsversprechen hätte wie ohnehin jede Verfügung über ein Grundstück der notariellen Beurkundung bedurft, die nicht gegeben war). Daher hat das Gericht es so verstanden, dass hier nur eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis in Betracht kommt. Denn diese können in einem handschriftlichen Testament verfügt werden, § 2247 Abs. 1 BGB.

 

Erbe oder Vermächtnis im Testament?

 

Jetzt stand das Gericht noch vor der Frage, ob es sich um ein Vermächtnis oder eine Erbeinsetzung im Testament handelt. Der „Beschenkte“ war der Meinung, er sei dadurch Alleinerbe geworden. Für diese Abgrenzung muss man wissen, dass der Vermächtnisnehmer lediglich einen einzelnen Gegenstand (zum Beispiel eine Immobilie, ein Auto oder auch ein Bankkonto) von Todes wegen zugewendet bekommt, der Erbe jedoch automatisch in alle Rechtspositionen des Erblassers einrückt (also zum Beispiel in alle Verträge, alle Konten und natürlich auch Schulden). Der Erbe bekommt letztlich alles, muss jedoch etwaige Ansprüche wie Vermächtnisse oder Pflichtteil aus dem Nachlass erfüllen.

 

In dem oben beschriebenen Fall hat der Empfänger nur einen einzelnen Gegenstand, nämlich einen Miteigentumsanteil an einem bestimmten Hausgrundstück erhalten. Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung einzelner Gegenstände im Zweifel nicht als Erbeinsetzung zu verstehen. Demnach müsste es sich hier um ein Vermächtnis handeln. Tatsächlich kommt diese Vorschrift jedoch erst dann zur Anwendung, wenn im Wege der in jedem Einzelfall vorzunehmenden individuellen Auslegung des Testaments nach §§ 133, 2084 BGB kein anderer Erblasserwille festgestellt werden kann.

 

Im vorliegenden Fall gelangte das Gericht zu der Auslegung, dass der Erblasser den Begünstigten in seinem Testament nicht nur mit einem Vermächtnis bedenken, sondern ihn tatsächlich als Alleinerben einsetzen wollte. Für die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis stellt die Rechtsprechung auf die Wertverhältnisse der verteilten Gegenstände ab. Es liegt nahe, diejenige Person oder Personen, die wertmäßig den Hauptnachlassgegenstand erhalten sollen, als Erben anzusehen und als Vermächtnisnehmer diejenigen Personen, die mit Gegenständen von verhältnismäßig geringem Wert bedacht sind (solche Anordnungen enthält das Testament im vorliegenden Fall nicht). Ganz ausdrücklich sagt das Gericht in der Entscheidung: „Insbesondere wenn eine Immobilie ihrem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens bildet, liegt es nahe, in ihrer Zuwendung an eine bestimmte Person deren Einsetzung als Alleinerbe zu sehen. Maßgebend dabei sind die Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände hat“.

 

Maßgeblicher Zeitpunkt ist Testamentserrichtung nicht Todestag

 

Es kommt für die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis also auf das Vermögen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung an und nicht auf den Todestag. Die Rechtsprechung geht insgesamt regelmäßig von einem Gesamtverfügungswillen aus, wenn der Erblasser mindestens über 80 % seines Vermögens verfügt hat. Dann ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Testierende, der davon ausging über nahezu sein gesamtes Vermögen zu verfügen, eine Erbeinsetzung und nicht nur ein Vermächtnis vornehmen wollte. Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nahezu kein anderes Vermögen als das Hausgrundstück vorhanden.

 

So wurde der eingesetzte „Beschenkte“ tatsächlich als Alleinerbe des Erblassers festgestellt!

 

Haben Sie Fragen zu Testament, Erbe oder Vermächtnis? Unser Anwalt für Erbrecht Herr Matthias Pawlik steht Ihnen gerne für ein Beratungsgespräch in unserer Kanzlei in München zur Verfügung. Setzen Sie sich einfach telefonisch mit uns in Verbindung: 089/99929720.

 

Das könnte Sie auch interessieren:

ZURÜCK Share: Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen Auf Google+ teilen