Die Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten stellt eine ganz wichtige Beschränkung dar, wenn nach dem Tod eines Ehegatten der Überlebende ein anderweitiges Testament machen möchte oder aber lebzeitige Schenkungen vornehmen will.
Denn sogenannte wechselbezügliche Verfügungen erwachsen in Bindungswirkung, sodass der überlebende Ehegatte nicht mehr davon abweichen kann. Paradebeispiel ist das sogenannte Berliner Testament (§ 2270 BGB): hier setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben auf den Tod des Erstversterbenden ein und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben. Beim ersten Todesfall gehen die Kinder daher als Erben leer aus (mit der Folge, dass sie den Pflichtteil verlangen können). Der zuerst verstorbene Ehegatte hätte in diesem Fall seine Kinder aber nicht zu Gunsten des anderen Ehegatten enterbt, wenn er sich nicht hätte sicher sein können, dass die Kinder nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten den gesamten dann vorhandenen Nachlass als Schlusserben erhalten. Deshalb sind die Kinder in diesem Fall als Schlusserben bindend eingesetzt. Ein neues Testament, das andere Personen anstelle der Kinder begünstigt, wäre dann wegen Verstoßes gegen ein vorrangig bindend gewordenes Testament unwirksam.
Kommt es in solchen Fällen zur Wiederheirat des länger lebenden Ehegatten, ist dieser häufig daran interessiert, dem neuen Ehepartner etwas zukommen zu lassen. Eine testamentarische Erbeinsetzung scheitert dann an der Bindungswirkung des vorangegangenen Testaments.
Grundsätzlich gilt: nach § 2287 BGB kann der übergangene Schlusserbe (Kinder) nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten von dem Beschenkten (neuer Ehepartner) die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn es sich um eine sogenannte beeinträchtigende Schenkung gehandelt hat. Nach der Rechtsprechung ist letztlich jede Schenkung, die das Vermögen nennenswert schmälert, eine objektiv beeinträchtigende Schenkung. Es braucht aber auch noch ein subjektives Element, die sogenannte Beeinträchtigungsabsicht. Diese ist ausgeschlossen in Fällen, in denen der Schenkende ein sogenanntes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hat.
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Das OLG Hamm hat mit Berufungsurteil vom 09.03.2023 (Az. 10 U 28/22) hierzu zwei spannende Feststellung getroffen:
Lebzeitiges Eigeninteresse des Schenkers beseitigt die subjektive Beeinträchtigungsabsicht
Zum einen lag in dem entschiedenen Fall ein solches lebzeitiges Eigeninteresse und damit eine zulässige Schenkung vor, da der spätere Erblasser die Schenkung getätigt hatte, um die Versorgung für sein Alter sicherzustellen bzw. zu verbessern. Eine weitere Rechtfertigung sah das Gericht auch in der Schenkung als Dank für noch zu leistende Dienste, Hilfe oder Pflege. Außerdem kann nach Auffassung des Gerichts auch das Bedürfnis eines etwa alleinstehenden Erblassers nach einer seinen persönlichen Vorstellungen entsprechenden Versorgung und Pflege im Alter ein solches anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse begründen, wenn der Erblasser durch die Schenkung eine ihm nahestehende Person (z.B. die Lebensgefährtin) an sich binden wollte.
Zum anderen ist das OLG Hamm in dieser Entscheidung aber auch auf die Möglichkeit einer Anfechtung nach § 2079 BGB eingegangen. Denn die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments mit der ersten Ehefrau hätte der Erblasser nach § 2079 BGB durch Anfechtung beseitigen können, nachdem er wieder geheiratet hat. Denn dadurch ist ein neuer Pflichtteilsberechtigter entstanden, der zum Zeitpunkt des ersten Testaments noch nicht vorhanden war. Die Anfechtungsfrist beträgt in solchen Fällen ein Jahr ab der neuen Eheschließung.
Im entschiedenen Fall hatte der Erblasser – wie meistens – das alte Testament überhaupt nicht angefochten. Das Gericht kam jedoch zu der Auffassung, dass es für die objektive Beeinträchtigung des Erben, die ja Voraussetzung für den oben genannten Herausgabeanspruch gegen den Beschenkten nach § 2287 BGB ist, dann fehlt, wenn der Erblasser das für ihn bindend gewordene frühere Testament noch hätte gem. § 2079 BGB anfechten können. Der Erblasser kann daher zum Nachteil des Vertrags- oder Schlusserben noch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 2283 Abs. 1 BGB Schenkungen vornehmen, auch wenn das Testament letztlich gar nicht angefochten wird, so das OLG Hamm.
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