Bei der Formulierung von Testamenten ist größte Sorgfalt angebracht. Leider bedenken spätere Erblasser häufig nur einzelne Fälle und regeln nur diese und vergessen alternative Fallkonstellationen. Im Erbfall muss dann das Nachlassgericht durch Auslegung feststellen, was der Erblasser für die nicht geregelten Fälle gewollt hat. Oft ist das später nicht mehr wirklich aufzuklären.
Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf Beschl. v. 20.06.2024 – Az. I-3 Wx 32/24) zu entscheiden. In einem gemeinsamen Testament hatten sich die kinderlosen Eheleute für den ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Für den zweiten Erbfall hatten sie nur folgendes verfügt: „Wenn das Schicksal entscheidet, dass die Unterzeichneten beide gleichzeitig ableben, durch Unfall oder etc., geht der gesamte Nachlass als alleiniger Nachlass als alleiniger Erbe und Begünstigter Schwager und Bruder […] über“.
Für den zweiten Erbfall haben die Ehegatten also nur den Fall geregelt, dass sie gleichzeitig sterben. Die Rechtsprechung geht üblicherweise von einem gleichzeitigen Versterben nur dann aus, wenn beide Ehegatten auf eine Weise versterben, dass dem Überlebenden keine Zeit mehr zu einer letztwilligen, seinen eigenen Tod betreffenden Verfügung bleibt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn beide nach einem Unfall zwar nicht am selben Tag sterben, aber ohne dass der länger Lebende noch einmal zu Bewusstsein kommt.
Hier lag der Fall jedoch anders: der eine Ehegatte hatte den anderen schlicht um längere Zeit überlebt. Das „gleichzeitige Versterben“ im Rechtssinn kommt in der Praxis auch extrem selten vor. Den Fall, was geschehen soll, wenn beide schlicht um Monate oder Jahre nacheinander sterben, haben die Eheleute vergessen zu regeln. Diese Lücke musste nun das Gericht schließen.
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Bei der Auslegung eines Testaments kommt es entscheidend darauf an, den wirklichen Willen des Erblassers bei der Testamentserrichtung herauszufinden, § 133 BGB. Im Extremfall kann dies sogar zu einer Auslegung gegen den Wortlaut des Testaments führen.
In der hiesigen Entscheidung des OLG Düsseldorf hat das Gericht sich ganz auf den Wortlaut des Testaments konzentriert und kam dabei zu folgendem Ergebnis: wenn die Ehegatten zur Erbfolge nach dem Letztversterben von ihnen keine Regelung getroffen haben (außer für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“), behält der länger lebende Ehegatte seine volle Testierfreiheit. Er könnte also ohne Bindung an die Verfügungen des erstversterbenden Ehegatten seine Erbfolge regeln. Tut er das nicht, so kommt nach der hiesigen Entscheidung des OLG Düsseldorf die gesetzliche Erbfolge nach dem länger Lebenden zum Tragen.
So gingen im entschiedenen Fall die für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ eingesetzten Personen leer aus und die nach den gesetzlichen Vorschriften zu Erben berufenen nächsten Verwandten des länger lebenden Ehegatten bekamen alles. Da die beiden Ehegatten bei Abfassung des Testaments nicht wissen konnten, wer von Ihnen zuerst versterben würde, war diese Erbfolge trotz des Testaments also letztlich ein reines Zufallsergebnis.
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, bei der Formulierung von Testamenten die Beratung eines Anwalts für Erbrecht in Anspruch zu nehmen. Möchten Sie ein Testament gestalten oder haben Sie Fragen zur Auslegung eines Testaments? Unser Anwalt Herr Matthias Pawlik steht Ihnen gerne für ein Beratungsgespräch in unserer Kanzlei in München zur Verfügung. Setzen Sie sich einfach telefonisch mit uns in Verbindung: 089/99929720.